Teil
03
Aussicht - Tokyo Tales 日本

| Lesezeit: 10 Minuten

Remote Work: Arbeiten in Japan

von Yasuyuki Mizuma

Unser Team-Kollege Yasuyuki arbeitet seit Anfang 2023 von Japan aus für uns und berichtet von dort über seine spannenden Eindrücke und Erfahrungen. In seinem dritten Blogbeitrag geht es um den Arbeitsalltag in Japan und er erzählt von Hürden und Vorteilen, die das Remote-Arbeiten mit sich bringt.

 

Hallo und Konnichiwa (こんにちは)! Willkommen zurück – in meinem ersten Blogbeitrag habe ich euch erzählt, wie ich darauf kam, nach Japan zu ziehen und remote für die l.i.n.e. in Deutschland zu arbeiten. Heute möchte ich nochmal etwas genauer über die ersten Hürden meiner geplanten Auslandserfahrung sprechen und euch einen tieferen Einblick in mein Leben und Arbeiten am anderen Ende der Welt geben.

Bürokratische Hürden – Aller Anfang ist schwer!

Wie ihr vielleicht in meinem ersten Beitrag gelesen habt, war der erste Schritt auf meinem Weg ins Ausland ein Gespräch mit meinem Chef. Ich musste schließlich zuerst einmal fragen, ob ich für zwei Jahre nach Japan auswandern und von dort aus remote für l.i.n.e. communication arbeiten darf. Nachdem er dem Ganzen zustimmte, nahm mein Traum nach und nach Form an und ich konnte anfangen, konkrete Pläne zu machen.

Die Vorbereitung meines Umzugs nach Japan war mit einer Vielzahl von Herausforderungen verbunden, von administrativen Angelegenheiten, wie Versicherungen und Steuern, bis hin zur Suche nach einer Unterkunft. Meine Sondersituation als in Deutschland geborener Japaner mit einer japanischen Staatsbürgerschaft hat den Prozess zusätzlich verkompliziert. Ich musste irgendwie sicherstellen, dass ich mein Visum für Deutschland nicht verliere.

Hinzu kam, dass ich ohne japanische Handynummer und festen Wohnsitz kaum Chancen auf eine Langzeitmiete hatte. Über die Plattform Smart Relocate habe ich dann kurz vor meiner Ausreise doch noch eine Bleibe gefunden. Und das Problem mit der Handynummer konnte ich zum Glück dank einer hilfsbereiten Freundin lösen, die mir ihre japanische Nummer zur Verfügung gestellt hat.

Als deutsche Person wäre man vermutlich mit anderen Hürden konfrontiert worden, wenn man einen Remote Job in Japan plant. Man müsste ein japanisches Visum beantragen und hätte ebenfalls das Problem mit der ausländischen Handynummer und der Wohnungssuche. Hinzu kommt die Sprachbarriere, denn nicht immer kommt man hier mit Englisch weiter. Zum Glück kann man sich heutzutage gut über Apps wie Google Übersetzer verständigen - ein Kommunikationswerkzeug, dass hier tatsächlich des Öfteren verwendet wird. Zu guter Letzt sollte man auch den kulturellen Unterschied nicht außer Acht lassen, der das Einleben sicher etwas erschwert – nicht umsonst spricht man in solchen Situationen manchmal von einem Kulturschock.

 

Endlich in Japan – und noch mehr administrative Herausforderungen

Vor einem Kulturschock hatte ich persönlich allerdings keine Angst. Ich empfand eine Mischung aus Vorfreude und Angst vor dem Unbekannten – immerhin würde ich zum ersten Mal allein in einem fremden Land leben. Trotzdem war ich fest entschlossen und freute mich darauf, diese neue Herausforderung anzunehmen und zu meistern. Die monatelange Recherche, all die Geduld und Mühen hatten sich gelohnt – es konnte endlich losgehen.

Nach zwanzig Flugstunden kam ich in Japan an. Mir wurde schnell klar, dass der leichte Jetlag, den ich erwartet hatte, nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Herausforderungen war, die mich erwarteten. Die administrativen Aufgaben gingen vor Ort weiter – vor allem im Zusammenhang mit meinem Umzug. Auch hier erhielt ich Hilfe von einer hilfsbereiten japanischen Freundin, wofür ich sehr dankbar war. Ganz oben auf der Liste stand der Kauf eines Handys mit entsprechender japanischer Nummer und die Beschaffung einer Grundausstattung für die Wohnung. Zum Arbeiten hatte ich von meinem Chef einen Laptop bekommen, damit ich auch von Japan aus problemlos meine Aufgaben erfüllen kann - darüber musste ich mir also zum Glück keine Sorgen machen.

 

Anpassung des Arbeitsrhythmus mit 7 bis 8 Stunden Zeitverschiebung

Nachdem ich nun die grundlegenden Einzelheiten zum Wohnen und Leben erledigt hatte, konnte ich damit anfangen, mir einen geregelten Alltag zu schaffen. Was hieß das für mich? Ich musste für mich einen neuen Arbeitsalltag etablieren. Die Zeitverschiebung von 7 bis 8 Stunden machte die Anpassung meines Arbeitsrhythmus zunächst schwierig. Doch dank meiner Erfahrungen im Remote-Arbeiten während der Corona-Pandemie gelang es mir, mich selbst und meine Arbeitsweise schnell zu organisieren und zu strukturieren. Das Problem war dann eher, meinen Arbeitsrhythmus, dem meiner Kolleginnen und Kollegen aus der l.i.n.e. communication in Köln anzupassen - andersherum natürlich genauso. Die meisten haben sich schnell daran gewöhnt und berücksichtigt, dass sie meine erledigte Aufgabe in der Regel erst am nächsten Morgen im Postfach haben und nicht noch an selben Tag. Doch leider kommt es auch vor, dass Kundenprojekte dringlich sind und zügig fertig sein müssen. Für mich heißt das dann, dass ich manchmal in meine Nacht rein arbeiten muss, um es bis zur deutschen Feierabendzeit fertigzustellen.

Improvisierter Arbeitsplatz: Auf dem Hellholz-Laminatboden liegt eine hellblaue Decke, als Ersatz für ein Sitzkissen. Rechts davor ein schwarzes Mousepad mit einer weißen PC-Maus und einem schwarzen Plastikhocker, auf dem ein schwarzer Laptop steht.
Yasuyukis anfänglicher Arbeitsplatz: ziemlich spartanisch, aber es hat funktioniert.

Home Office in Japan: Eingerichtet, eingelebt und ein bisschen einsam

Die anschließenden Monate waren geprägt von Anpassung und Akklimatisierung. Ich war selbst überrascht, wie schnell ich mich an meine neue Umgebung und den Lebensstil dort eingewöhnen konnte – mein Zuhause war mir schnell vertraut.

Meine Wohnung, gelegen in der Präfektur Chiba, ist im Vergleich zu einer Standardwohnung in Tokyo sehr großzügig. Mit 40 m² ist sie für japanische Verhältnisse sehr groß. Ich habe drei Räume — eine große Küche, ein Arbeitszimmer und ein Schlafzimmer. Letzteres ist, anders als die anderen beiden Räume nicht mit Laminatboden, sondern Tatami-Matten ausgestattet. In Wohnräumen werden diese aus Stroh gewebten Matten oft als Bodenbelag verwendet.

Schlafzimmerboden mit Tatami-Matten. Sechs große Bodenmatten aus Stroh bilden den Boden des Schlafzimmers. Am Rand sind die Matten mit einem dunkelgrauen Textilband eingefasst.
Der Boden in Yasus Schlafzimmer: so sehen Tatami-Matten aus.

Wie in Japan üblich, sind die Räume in meiner Wohnung durch Schiebetüren getrennt - sogar meine Balkontür ist eine solche Schiebetür. Bevor ihr euch fragt: Nein, das betrifft natürlich nicht die Wohnungstür, denn hier ist eine normale eingebaut. Mit umgerechnet knapp über 500 Euro Monatsmiete, ist meine Wohnung den Kölner Verhältnissen nicht unähnlich. Der Grund für den recht günstigen Mietpreis ist, dass es eine ältere Wohnung ist. Für mich ist sie aber perfekt und ein echter Glückstreffer. In Tokyo selbst kommt man in der Regel nur an kleinere Wohnungen, die dann auch weitaus teurer sind.

Meinen Nachbarn begegne ich nur selten. Man verbeugt sich und sagt Hallo – manchmal hat man auch ein kurzes Gespräch. Das Haus ist sehr hellhörig, daher versuche ich in meiner Wohnung nicht zu viel Lärm zu machen.

Ein kleines Badezimmer mit einem weiß-beige gefliesten Boden. An der rechten Wand ist eine Heizung befestigt, ein digitales Thermostat angebracht und ein weißer Hocker steht vor der ganz hinten im Raum passend platzierte Badewanne.
Yasuyukis Badezimmer: klein aber pragmatisch.

Ich wohne zum ersten Mal alleine. So eine Erfahrung mitsamt eines Remote Jobs, direkt am anderen Ende der Welt zu machen, war eine ziemliche Umstellung für mich. Einerseits genieße ich die Ruhe und das Alleinsein. Ohne äußere Ablenkungen kann ich mich sehr viel besser konzentrieren und kann das Arbeitsniveau beibehalten. Andererseits fühl ich mich ab und zu einsam, vor allem, wenn ich meine Wohnung längere Zeit nicht verlasse und es auch nicht muss. Zum Glück gibt es heutzutage viele digitale Möglichkeiten, um dagegen anzugehen. Ich treffe mich oft auf Discord, einem Programm für Text- und Sprachchats, mit meinen Freunden aus Deutschland. Über Microsoft Teams schreibe ich mit meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen und kann, wenn nötig, kurz vor meinem Feierabend (also am deutschen Arbeitsmorgen) auch an Meetings teilnehmen. Und natürlich habe ich auch schon neue Freunde in Japan gefunden.

Yasuyukis Remote-Arbeitsplatz besteht aus einem dunkelbraunen Eckschreibtisch. Auf einem ausziehbaren Brett liegen Tastatur und Maus. An der Seite ist ein Mikrofon an der Tischplatte befestigt. Auf dem Tisch stehen zwei Bildschirme und eine Webcam.
Yasuyukis aktueller und voll ausgestatteter Remote Work-Arbeitsplatz

Einblicke in die japanische Arbeitskultur

Während meiner Zeit hier habe ich über Freunde auch Einblicke in die generelle Arbeitsweise Japans erhalten und fand es spannend, einen Blick über den Tellerrand der mir bekannten deutschen Arbeitskultur zu werfen.

Einige Unternehmen halten noch an altmodischen Arbeitsweisen fest, wie starken Hierarchien,

Überstunden von bis zu 80 Stunden pro Monat und einem Feierabend, der oft erst dann eintritt, wenn der Chef geht – selbst wenn es keine Aufgaben mehr gibt. Vorher zu gehen, wird oft noch als unhöflich und respektlos gesehen. In vielen traditionellen Unternehmen ist es üblich, dass Mitarbeiter nach ihrem Hochschulabschluss in eine Firma eintreten und bis zur Rente bleiben. Beförderungen erfolgen oft aufgrund von Seniorität statt Leistung.

Durch die COVID-19 Pandemie scheint der Stein aber ins Rollen gekommen zu sein, denn es gibt vermehrt flexible Arbeitsmodelle und Home Office-Angebote. Allerdings wurde mir berichtet, dass einige Unternehmen die Remote-Arbeit wieder eingeschränkt und ihre Mitarbeiter zurück ins Büro beordert haben. Der Wandel ist spürbar, doch der Übergang von Tradition zu modernen Arbeitsweisen ist im Vergleich zu westlichen Ländern langsamer – was sicher auch mit der hier oft spürbaren tiefen kulturellen und traditionellen Verwurzelung zu tun hat.

Mein Arbeitsalltag wird nach wie vor von deutschen Gepflogenheiten und Erwartungen geprägt und eigentlich bin ich auch ganz froh, dass wir es in Deutschland etwas anders halten mit den Arbeitszeiten und Hierarchien.

Straße inmitten hoher Firmengebäude. Auf dem Gehweg laufen zwei Männer im Anzug. Durch dunkle Betonblöcke ist der Gehweg zur Straße hin abgegrenzt. Auf dieser steht ein geparkter Roller und ein großer Reisebus fährt vorbei.
Ein Blick auf ein Viertel mit modernen Bürogebäuden in Tokyo.

Remote-Arbeit in Japan: Mein persönliches Resümee

Wie eigentlich alles im Leben, gibt es auch bei Remote Jobs im Ausland, in meinem Fall natürlich Japan, seine Vor- und Nachteile.

Ein großer Vorteil ist, dass ich Aufgaben, die nicht unmittelbar fertig sein müssen, während der „normalen“ Ortszeit erledigen kann. Sobald ich sie abends beende, sende ich sie an meine Kollegen, und sie haben sie morgens in ihrem Posteingang. Zudem ist es entspannter zu arbeiten, da es in Deutschland Nacht ist und so keine spontanen Aufgaben und Nachrichten oder Anrufe reinkommen, die den Arbeitsfluss stören. So können wir bei unseren Projekten manchmal sogar vor der Zeitwelle reiten.

Die Remote-Arbeit hat mir geholfen, mich schneller an neue Situationen anzupassen und auf unkonventionelle Weise Probleme zu lösen. Ebenso macht es Spaß, meine Fähigkeiten in neuen Arbeitsbereichen zu erweitern, wie dem Bloggen 😉. Selbstverständlich werden auch meine japanischen Sprachkenntnisse mit jedem Tag besser. Und es ist unbestreitbar, dass man ein Land erst richtig kennenlernt, wenn man dort eine Weile lebt – ganz anders als bei einem Urlaubsaufenthalt.

Ein großer Nachteil ist, dass ich aufgrund der Zeitverschiebung öfter mal bis spät in die Nacht arbeiten muss. Und auch, wenn die Ruhe angenehm ist, passiert es ab und zu, dass man sich ein wenig allein fühlt.

In meiner speziellen Situation war es außerdem ein Nachteil, kein deutscher Staatsbürger zu sein, denn das hat für zusätzlichen bürokratischen Aufwand gesorgt.

So ein Remote Work-Vorhaben erfordert in jedem Fall eine sehr genaue Vorbereitung, Zeit, Aufwand und ehrlicherweise einige Nerven. Es ist viel Papier- und Organisationskram. Natürlich sollte man vorher auch immer genau prüfen, ob sich eine längere Zeit im Ausland finanziell lohnt oder zumindest tragbar ist. Als Deutscher in einer japanischen Firma wäre es eventuell finanziell weniger vorteilhaft, da die durchschnittlichen Gehälter, unter denen der USA oder Europa liegen – und das bei relativ hohen laufenden Kosten.

„Alles in allem war mein Umzug nach Japan eine riesige Herausforderung, aber auch eine lohnende Erfahrung, die ich nicht missen möchte.“

Meine Japan-Erfahrung: herausfordernd und lohnenswert

Mein Japan-Abenteuer hat es mir ermöglicht, sowohl beruflich als auch persönlich zu wachsen. Unter Strich kann ich euch nur empfehlen, es auch mal mit einem Jahr im Ausland zu probieren. Bereitet euch gut vor, prüft vorab auch die finanziellen Faktoren und mögliche kulturelle Hürden vor Ort – dann klappt alles und ihr seid um eine wertvolle Erfahrung reicher!

In meinem nächsten Beitrag möchte ich endlich mal etwas tiefer in die Verkaufsstrategien und das Marketing in Japan eintauchen – immerhin sind solche Themen für uns als Kommunikationsagentur besonders spannend und es gibt sicher viel Neues zu lernen. Ich freue mich darauf, meine zukünftigen Abenteuer und Erlebnisse mit euch zu teilen.

Bis zum nächsten Mal,
euer Yasuyuki.

 

Yasuyuki Mizuma
Mediengestalter/ Grafiker

Vielseitig, technikbegeistert und neugierig – Yasuyuki macht vor kaum einer Herausforderung halt und landet so nicht nur unsere Drohne, sondern auch Web-, Video- und 3D-Inhalte zielgenau auf den Punkt.

Kontakt
Close menu