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| Lesezeit: 5 Minuten

Warum Millennials und Gen Z Werbetexte „cringe“ finden

von Anne-Christine Kasten

Das neue Produkt ist hervorragend und die Zielgruppe – jung und modern – steht fest. Jetzt gilt es, eine Werbebotschaft zu formulieren, die ins Schwarze trifft! Aber wie können Sie Ihre potenziellen Kundinnen und Kunden auf sprachlicher Ebene erreichen, ohne albern zu wirken? Auf der Suche nach dem richtigen Ton für die Jugend von heute lauern viele Fettnäpfchen.

Wir zeigen Ihnen, wie Sie vermeiden, dass Ihre Werbebotschaft unerwünschte Nebenwirkungen verursacht, und laden Sie ein, dem Konzept sprachlicher Authentizität eine Chance zu geben.

 

Die tagesschau und das Jugendwort des Jahres 2021

Der souveräne Umgang mit einem Sprachmilieu, das nicht das eigene ist, stellt eine besondere Herausforderung dar. Wer aber über genug Selbstreflektion verfügt, dem kann dieser Balanceakt in seltenen Fällen gelingen:

Statt eine Definition vorzutragen, erklärte die Sprecherin der tagesschau, Susanne Daubner, dem TV-Publikum auf eindrucksvolle Weise das Jugendwort des Jahres 2021 mit den folgenden Worten:
Cringe ist das Gefühl, das Sie haben, wenn ich den folgenden Satz sage: Digga, wie fly ist eigentlich die tagesschau, wenn sie mit Jugendwörtern flext?“[1]

Und, ist der Cringe real bei Ihnen? Oder sind Sie immer noch lost?

 

Angepasst oder authentisch sein: Die Frage aller Fragen

Natürlich ist uns allen klar, dass Worte wie „Digga“ und „fly“ eher nicht zu Susanne Daubners alltäglichem Vokabular gehören. Und das, obwohl wir sie nicht persönlich kennen, denn: Wir alle haben ein sehr sensibles Auge und Ohr dafür, ob Sprache authentisch klingt oder eben nicht – auch Teenager und junge Erwachsene.

Wenn der Ton einer Botschaft nach unserem Empfinden nicht zum Inhalt oder unserer Wahrnehmung des Absendenden passt, fällt das also auf. Stellen Sie sich vor, Sie lesen oder hören etwas, das nicht authentisch klingt. Sie halten inne, sind etwas verwundert oder irritiert, vielleicht belustigt oder sogar verärgert: „Meinen die das ernst?“

Geht es hierbei um einen Werbetext, reiben sich eingefleischte Texterinnen und Texter womöglich schon die Hände: Aufmerksamkeit und Interesse sind geweckt – das ist doch schon die halbe Miete!

Doch denken Sie dabei auch an die Fettnäpfchen, die jetzt auf Sie lauern, wenn Sie es ähnlich souverän handhaben wollen, wie Susanne Daubner…

 

Fettnäpfchen #1: Aufmerksamkeit um jeden Preis

„Sie sind ohne Zweifel der schlechteste Pirat, von dem ich je gehört habe“, sagt Lieutenant James Norrington im Film Fluch der Karibik zu Captain Jack Sparrow. Dieser erwidert mit einem süffisanten Lächeln: „Aber Ihr habt von mir gehört.“

Vielleicht halten Sie es hier mit dem Piratenkapitän, ganz nach dem Motto: Hauptsache, es bleibt etwas hängen!

Wer auf gefährlichen Wassern segelt und auf diese Weise absichtlich provoziert, kann Erfolg haben. Vielleicht geht die Strategie auf und Sie ernten Schmunzeln, Wohlwollen und Sympathie. Allerdings sollten Sie sich auch auf mögliche Fehlinterpretationen, Unverständnis oder Verärgerungen auf Seite der Kundinnen und Kunden gefasst machen. Es ist anzunehmen, dass nicht alle Ihre Wortwahl angemessen finden werden.

 

Fettnäpfchen #2: Der Fluch der Übertreibung

Wenn Sie darauf bestehen, sprachlich so nah wie möglich an der Zielgruppe zu landen, springen Sie nicht kopfüber ins kalte Wasser, sondern tasten Sie sich lieber vorsichtig und gemäßigt an Ihr Ziel heran. So manch eine Firma hat sich den Vorsatz die Sprache der Kundinnen und Kunden zu sprechen beim Bewerben Ihrer Produkte für die jüngere Generation etwas zu sehr zu Herzen genommen und damit für Werbespots gesorgt, die am Ende niemandem so richtig gefallen wollen. Wir alle haben sicher die ein oder andere negative Erinnerung an von Firmen produzierte „Rap-Videos“ zu Werbezwecken.

„[…] ich kann diesen schmerzhaften Millenial O-Ton nicht mehr hören.“, lässt ein Reddit-Nutzer in Bezug auf einen vielgespielten Werbeclip auf YouTube verlauten und fragt weiter: „[Wer] denkt, dass wir so reden? Klar haben wir alle die ein oder anderen Anglizismen aufgeschnappt, aber in einer Werbung ist das dann nur zum Fremdschämen.“

Ob die besagte Werbekampagne sich selbst für ernst nimmt oder dahinter vielmehr eine berechnende Provokation oder gar eine lustig gemeinte Parodie steckt, lässt sich schwer sagen. Allerdings veranschaulicht das Beispiel recht deutlich: Auf diesem Wege kann man sich bei einem Teil seiner Zielgruppe auch unbeliebt machen oder wird ungewollt zur Lachnummer.

 

Fettnäpfchen #3: Die Sache mit der sprachlichen Relevanz

Manchmal möchte man hingegen gar nicht provozieren oder selbstironisch auftreten, sondern der Kundschaft einfach nur auf Augenhöhe begegnen. Ein nachvollziehbares Anliegen - schließlich wissen Sie, wie wichtig es ist, dass Werbung relevant für die Kundinnen und Kunden ist.

„Relevanz allerdings in erster Linie über eine stark generations- oder Milieu-bezogene Sprache Ihrer Botschaft herzustellen ist zwar möglich, aber unglaublich schwierig.“

Und möchten Sie wirklich mit Mitte vierzig mit der Frage konfrontiert werden, ob Menschen zwischen 18 und 25 aus Berlin das Wort „knorke“ heutzutage noch unironisch verwenden oder eher nicht? Sie verfügen sicher über ein hervorragendes Sprachgefühl, aber selbst die Erfahrensten unter uns können nicht aus ihrer eigenen Haut schlüpfen.

Um es kurz zu machen: Wenn Boomer (dazu gehören alle, die ab Mitte der 1950er Jahre bis Ende der 1960er Jahre geboren wurden) versuchen, die Sprache der Millennials und Gen Z zu sprechen, geht das selten gut.

Vielleicht haben Sie junge Kolleginnen und Kollegen, die Ihnen hier weiterhelfen können. Und wenn nicht, dann überlassen Sie die Wortwahl doch einfach denen, die ganz nah dran sind: Influencerinnen und Influencern, die den direkten Draht zu Ihrer Zielgruppe haben oder idealerweise ein Teil davon sind.

 

Das Erfolgsrezept: Authentisch ist das neue cool

Welche Route Sie einschlagen möchten, bleibt Ihnen überlassen. Allerdings sollten Sie sich vorher darüber im Klaren darüber sein:

„Empfängerinnen und Empfänger Ihrer Botschaft werden es durchschauen, sollten Sie den Versuch wagen, sich sprachlich anzubiedern“

Besteht Ihr nächster Werbetext den Cringe-Test?
Authentizität ist ein hohes Gut und ein beachtlicher Verkaufsfaktor. Sicher finden Sie Mittel und Wege Ihre junge Kundschaft auch ohne Jugendwörterbuch und Tik Tok-Vokabular zu erreichen – ganz authentisch.

 

Persönliches Fazit:

Vertrauen Sie auf Ihre Stärken
Nutzen Sie Ihr Sprachgeschick lieber, um auf andere Weise Relevanz herzustellen. Sammeln Sie beispielsweise die Eigenschaften Ihres Produkts, die für die Zielgruppe besonders spannend sind, und stellen Sie diese unverkrampft und natürlich vor. Auch ein junges Publikum weiß inhaltliche Relevanz zu schätzen und braucht nicht immer eine Ansprache auf Augenhöhe.

Zeigen Sie das Produkt, lassen Sie es für sich sprechen oder erklären Sie es in einem Ton, der Ihnen vertraut ist. Schließlich möchten Sie mit Ihrem Text in der Regel nicht erreichen, dass die Zielperson sich mit Ihnen auf einen Bubble Tea treffen will, sondern sie soll vielmehr erkennen, wie das beworbene Produkt ihr Leben bereichern wird.

Susanne Daubners Erläuterung des Jugendwortes wurde übrigens als so witzig und charmant aufgenommen, dass das Internet kurzerhand ein Meme aus ihrem Auftritt gemacht hat.

Sie sehen also: Authentizität und Selbstreflektion kommen an und ersparen Ihnen und der Kundschaft jede Menge Cringe.

 

PS: Wir finden auch den richtigen Ton für Ihre Botschaft!
Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie eine Beratung von uns benötigen:

Anne-Christine Kasten
Text & Konzeption

Nach ihrem Germanistik- und Multimediastudium hat sich Anne auf die Schnittstelle Sprache und Technik spezialisiert. Sie bringt Fakten und Gedanken in Form und Kunden zum Nicken und Klicken.

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