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Unser Team-Kollege Yasuyuki arbeitet seit Anfang 2023 von Japan aus fĂŒr uns und berichtet von dort ĂŒber seine spannenden EindrĂŒcke und Erfahrungen.âŻIn seinem fĂŒnften Blogbeitrag geht es um Weihnachten in Japan und wie es sich vom traditionellen westlichen Weihnachten unterscheidet. Besonders spannend ist die Geschichte, wie Fastfood sich dank guter Werbung zu einer Weihnachtstradition etabliert hat.
Hallo und konnichiwa (ăăă«ăĄăŻ) alle zusammen!
In diesem festlichen Beitrag entfĂŒhren wir euch in die zauberhafte Welt der japanischen WeihnachtsbrĂ€uche. WĂ€hrend in vielen Teilen der Welt Weihnachten ein religiöses Fest ist, feiert Japan Weihnachten auf eine ganz eigene, zum Teil ungewöhnliche Art und Weise. Wie eine Marketingkampagne eines Fastfood-Konzerns die Weihnachtstradition eines ganzen Landes maĂgeblich prĂ€gen konnte, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
WĂ€hrend wir Weihnachten in der westlichen Welt mit der ganzen Familie, aufwendigem Essen und groĂartigen Geschenken feiern, hat das Fest in Japan eine eigene, faszinierende Form angenommen. Hier ist Weihnachten von Romantik, prĂ€chtiger Beleuchtung und ungewöhnlichen Essgewohnheiten geprĂ€gt.
In Japan sind die Weihnachtstage keine offiziellen Feiertage. Das Zusammenkommen in den Familien spielt eine geringere Rolle. Vielmehr ist Weihnachten bei den Japanern ein Anlass fĂŒr Paare, einen romantischen Abend zusammen zu verbringen. Dazu gehören SpaziergĂ€nge durch beleuchtete Parks, Candle-Light-Dinner in Restaurants und der Austausch kleiner Geschenke.
âViele Paare besuchen am Ende des Abends ein Hotel, da sie oft noch bei ihren Eltern wohnen und dort ungestörte Zweisamkeit genieĂen wollenâ, erzĂ€hlt uns Yasu.
Ein weiterer interessanter Aspekt des japanischen Weihnachtsfestes sind die ungewöhnlichen Essenstraditionen. Statt Raclette, Fondue oder einem aufwendigen Weihnachtsbraten, gibt es frittiertes HĂŒhnchen von Kentucky Fried Chicken (KFC).
Die PopularitĂ€t von KFC zu Weihnachten begann mit einer Werbekampagne im Jahr 1974, die das frittierte HĂŒhnchen als weihnachtliche SpezialitĂ€t bewarb. Im Jahr 2018 gab KFC an, in der Zeit vom 20. bis zum 25. Dezember 6,9 Milliarden Yen eingenommen zu haben. Umgerechnet sind das circa 55,7 Millionen Euro. Doch wie kam es dazu, dass sich frittiertes HĂŒhnchen nun zu einer festen Tradition etabliert hat?
Mit der Kampagne 1974 sollte der Absatz um Weihnachten etwas angekurbelt werden. So entstand die Idee einer âPartyboxâ unter dem Slogan âKentakki wa Kurisumasuâ (ă±ăłăżăăăŒăŻăŻăȘăčăăč). Auf Deutsch bedeutet das: âKentucky ist Weihnachtenâ. Die Partybox beinhaltete einen groĂen Eimer voller Chickenwings, der noch heute typisch fĂŒr KFC ist. AuĂerdem ein Gratin und einen Erdbeerkuchen.
Vermutlich war die Kampagne so erfolgreich in Japan, weil es bis dahin so gut wie gar keine BerĂŒhrungspunkte zum westlichen Weihnachtsfest gab. Im richtigen Moment kam KFC um die Ecke und hat den Japanern mit dieser Kampagne empfohlen, was man an Weihnachten essen sollte. Dieser Empfehlung wurde interessiert nachgegangen, sodass sich eine richtige Tradition etablierte.
Mittlerweile tummeln sich lange Schlangen vor den Fastfood-Filialen an Weihnachten. Viele können das hohe Aufkommen nur noch mit Vorbestellungen und Reservierungen bewerkstelligen.
âIn Weihnachtsstimmung komme ich bei KFC nicht wirklich. Ich vermisse schon ein paar Gerichte aus Deutschland wie Kartoffelpuffer mit Apfelmus oder ein paar richtige, typische Fleischgerichteâ, so Yasus Meinung zu der fĂŒr uns ungewöhnlichen Tradition in Japan.
Zu Weihnachten wird es bei uns im Westen hell: Lichterketten an BĂ€umen, HĂ€usern und StraĂenlaternen. Auch in Japan spielen besondere Beleuchtungen zu Weihnachten eine groĂe Rolle.
In Tokio werden mehrere beeindruckende Lichtershows organisiert, darunter die Yebisu Garden Place Baccarat ETERNAL LIGHTS, die jedes Jahr mit einem der weltweit gröĂten Kronleuchter strahlen.
Die Roppongi Hills Christmas Illumination verwandelt die gesamte Gegend in ein leuchtendes Winterwunderland. Jedes Jahr locken die strahlenden Gassen viele PĂ€rchen an, um darin einen unvergesslichen Spaziergang zu machen.
ZusĂ€tzlich bieten der Weihnachtsmarkt im Yokohama Red Brick Warehouse und der Yokohama Bay Quarter Christmas Forest eine festliche AtmosphĂ€re mit dekorierten StĂ€nden und Lichtinstallationen. Tokyo Disneyland bereichert die festliche Stimmung zusĂ€tzlich mit beeindruckenden Weihnachtsdekorationen und Paraden, die die Besucher in eine magische Weihnachtswelt entfĂŒhren.
Warm eingepackt in der KÀlte stehen und ein warmes GetrÀnk in den HÀnden halten: Das sind deutsche WeihnachtsmÀrkte. In Japan hingegen sieht die Gestaltung von WeihnachtsmÀrkten und winterlichen Veranstaltungen etwas anders aus. Angefangen damit, dass es in einigen Gebieten im Gegensatz zu Deutschland recht warm und sonnig ist - in Tokio sind es an Weihnachten um die 10° C.
Die WeihnachtsmĂ€rkte dort bieten eine kuriose Mischung aus japanischer Kultur und westlichen EinflĂŒssen. Neben landestypischen Leckereien sind auch ein paar traditionelle deutsche Gerichte an den StĂ€nden zu finden.
Speisen und GetrĂ€nke: Auf deutschen WeihnachtsmĂ€rkten dominieren traditionelle Speisen wie Bratwurst, Lebkuchen und GlĂŒhwein. In Japan hingegen gibt es eine gröĂere Vielfalt an internationalen Gerichten, einschlieĂlich japanischer Leckerbissen, aber auch WĂŒrste, die nicht ganz authentisch schmecken. Der klassische GlĂŒhwein ist in Japan weniger verbreitet, stattdessen gibt es oft eine Auswahl an verschiedenen Bieren und anderen GetrĂ€nken.
AtmosphĂ€re und Design: Japanische WeihnachtsmĂ€rkte sind erkennbar von deutschen MĂ€rkten inspiriert, mit StĂ€nden, die eine Vielzahl von Waren und Speisen anbieten. Die AtmosphĂ€re wirkt jedoch einzigartig japanisch, mit einem Schwerpunkt auf feierlicher Beleuchtung und modernem Design, ohne GemĂŒtlichkeit oder die typische Handwerkskunst.
Angebote und Produkte: WÀhrend deutsche WeihnachtsmÀrkte eine breite Palette von traditionellen Weihnachtsartikeln, handgemachten Geschenken und lokalen kulinarischen SpezialitÀten anbieten, werden auf japanischen WeihnachtsmÀrkten eine Mischung aus internationalen und japanischen Produkten prÀsentiert. In Japan finden Besucher neben typisch weihnachtlichen Produkten auch japanische Handwerkskunst und moderne Geschenkartikel.
Insgesamt bieten die WeihnachtsmĂ€rkte und Winterveranstaltungen in Japan eine einzigartige Erfahrung, die traditionelle westliche Elemente mit modernen und lokalen japanischen EinflĂŒssen verbindet. Diese Mischung schafft eine festliche Stimmung, die sowohl fĂŒr Einheimische als auch fĂŒr Besucher aus aller Welt sehenswert ist.
Was vermittelt GemĂŒtlichkeit und Weihnachtsstimmung in Japan? Sicher nicht die atmosphĂ€rischen Elemente westlicher Heimeligkeit:
Keine Kerzen und Kamine oder AdventskrÀnze: In Japan fehlen Kerzenlicht und das Knistern eines Kamins. Stattdessen liegt der Fokus auf den öffentlichen Beleuchtungen und Dekorationen in den StÀdten. Auch den Adventskranz mit seinen vier Kerzen als Symbol der Vorweihnachtszeit findet man in japanischen Haushalten und GeschÀften nicht.
In den GeschĂ€ften: In den GeschĂ€ften findet man oft WeihnachtsbĂ€ume und andere Dekorationen, die eine gemĂŒtliche AtmosphĂ€re schaffen. Allerdings ist die hĂ€usliche Weihnachtsdekoration in Japan meist weniger umfangreich als in westlichen LĂ€ndern.
Silvester und Neujahr sind im Gegensatz zu Weihnachten in Japan von reichhaltigen Traditionen und BrĂ€uchen geprĂ€gt. Am Ćmisoka - dem Silvesterabend - isst man âToshikoshi Sobaâ fĂŒr ein langes Leben. Der Verzehr dieser langen Soba-Nudeln symbolisiert den Wunsch nach einem langen Leben und einem reibungslosen Ăbergang in das neue Jahr.
Um Mitternacht findet âJoyanokaneâ statt. Bei diesem Brauch werden die Tempelglocken genau 108-mal gelĂ€utet. Dieses Ritual reprĂ€sentiert das Vertreiben der 108 weltlichen Begierden bzw. WĂŒnsche, um das neue Jahr mit einem reinen Geist zu beginnen. Die 108 weltlichen Begierden sollen dem Herzen Schmerz und Leid zufĂŒgen. Durch das LĂ€uten der Glocken verschwindet dieses Leid.
Am Neujahrstag âShĆgatsuâ ist Zeit fĂŒr Besinnung und Neubeginn. Viele Japaner starten das Jahr mit dem âHatsumodeâ, dem ersten Schreinbesuch, um fĂŒr GlĂŒck und Wohlstand zu beten. Auch das traditionelle Essen spielt am Neujahrsfeiertag eine wichtige Rolle.
Neben diesen familiĂ€ren Traditionen gibt es auch gesellschaftliche Ereignisse wie âBonenkaiâ oder âShinnenkaiâ. Dies sind Jahresabschluss- und Neujahrsfeiern, die von Unternehmen und Gruppen organisiert werden. Ein weiteres Highlight ist âKohaku Uta Gassenâ, ein traditionelles Musikereignis am Silvesterabend.
âBeim Besuch der WeihnachtsmĂ€rkte in Japan wird mir jedes Mal bewusst, wie unterschiedlich die Stimmung im Vergleich zu meiner Heimatstadt Köln ist. Obwohl die japanischen MĂ€rkte durchaus ihren eigenen Charme haben, fehlt ihnen die AuthentizitĂ€t. Die StĂ€nde und das Angebot sind zwar vielfĂ€ltig, aber sie spiegeln nicht die gleiche AtmosphĂ€re wider, die ich mit Weihnachten verbinde.
Ein weiterer auffĂ€lliger Unterschied ist die Stimmung auf den StraĂen. In Japan sind WeihnachtsmĂ€rkte beliebte Treffpunkte fĂŒr Paare, was ihnen ein romantisches Flair verleiht. Als Single fĂŒhlt man sich inmitten der verliebten Paare jedoch manchmal etwas deplatziert. Diese Erfahrung unterstreicht den Unterschied in der kulturellen Wahrnehmung von Weihnachten: WĂ€hrend es in Deutschland ein Fest fĂŒr alle ist, hat es in Japan eher den Charakter eines romantischen Ereignisses, vergleichbar mit Valentinstag. Diese Kontraste machen die Erfahrung von Weihnachten in Japan fĂŒr mich besonders interessant und lehrreich, auch wenn ich die vertraute GemĂŒtlichkeit der deutschen WeihnachtsmĂ€rkte vermisse. Ich freue mich nun, die Traditionen rund um den Jahreswechsel kennenzulernen.â
Bis zum nÀchsten Mal!
Euer Yasuyuki
Vielseitig, technikbegeistert und neugierig â Yasuyuki macht vor kaum einer Herausforderung halt und landet so nicht nur unsere Drohne, sondern auch Web-, Video- und 3D-Inhalte zielgenau auf den Punkt.